Zeche Auguste Victoria
2008 – 2012
17,7 Millionen Reichsmark. Eine gewichtige Übernahme.
Im Jahr 1907 trat ein besonderer Akteur auf den Plan der Zeche Augusta Victoria: der Chemiegigant BASF. Das Unternehmen aus Ludwigshafen erwarb die Zeche, deren Jahresförderung zu der Zeit beachtliche 156.000 Tonnen betrug. Der Kaufpreis: 17,7 Millionen Reichsmark. Nach außen hin trat der Konzern als alleiniger Käufer auf – doch eigentlich erfolgte der Erwerb gemeinsam im Zusammenschluss mit den Unternehmen Bayer und AGFA.
Auf und Ab. Boom und Zäsur.
Vor dem Ersten Weltkrieg erfuhr die Zeche eine sagenhafte Entwicklung: Die Zahl der Beschäftigten stieg auf 2600 Mitarbeiter an. Die Belegschaft förderte jährlich 715.000 Tonnen Kohle und die Kokereibatterie produzierte 296.000 Tonnen Koks. Der Erste Weltkrieg markierte jedoch einen tragischen Wendepunkt in der Historie der Anlage: Tausende Bergleute wurden eingezogen, der Förderausfall war immens und die Lebensmittelknappheit und schlechten Arbeitsbedingungen führten zu Streiks. Zudem schloss sich der Dreierbund aus BASF, Bayer und AGFA zur sogenannten Kleinen Interessensgemeinschaft zusammen – der Kleinen I.G.
Neustart. Die Zeit der Weimarer Republik.
Nach dem desolaten Krieg konnte sich die Zeche wieder erholen. 1921 waren rund 4000 Bergleute auf der Zeche beschäftigt und zwei Jahre später begannen die Abteufarbeiten für Schacht 3. Im Jahr 1929 ging im äußersten Süden des Grubenfeldes Schacht 4 in Betrieb. Ein Jahr später begann man mit dem Abteufen des Wetterschachts 5. Seine Fertigstellung gab auch den Startschuss für die selbstständige Schachtanlage 4/5, auf der die Bergleute im Jahr 1931 die erste Kohle zu Tage förderten.
Eine zufällige Entdeckung. Erz ist Trumpf.
Im Jahr 1930 machten die Bergleute eine erstaunliche Zufallsentdeckung: Im Grubenfeld stießen sie auf abbauwürdige Bleizinkerzvorkommen und förderten diese ab 1936 über Schacht 1 zu Tage. Damit gehörte die Zeche Auguste Victoria zu den wenigen Zechen im Ruhrbergbau, auf denen Erze abgebaut wurden und die Schachtanlage 4/5 bekam den Beinamen „Erzschacht“.
Änderungen im Hintergrund. Aus Kleine I.G wird I.G Farben.
Gehen wir nochmal kurz einen Schritt zurück und werfen einen Blick auf die Eigentumsverhältnisse, die im Fall der Zeche Augusta Victoria durchaus verworren waren: Im Jahr 1926 wurde aus der Kleinen I.G die Interessensgemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft – auch I.G Farben genannt. 1937 ging die Zeche dann komplett in das Eigentum der I.G Farben über und wurde zu einer Betriebsabteilung des Unternehmens.
Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zur Entflechtung der I.G. Farben. In diesem Zusammenhang gründete sich die BASF zu Beginn des Jahres 1952 neu und wurde ein Jahr später zur alleinigen Eigentümerin der Zeche Augusta Victoria. Nach Beendigung der Erzförderung im Jahr 1962 fungierte Schacht 4 noch bis 1966 für die Bewetterung des Betriebs. 25 Jahre später übernahm die Ruhrkohle AG die Zeche, die zu der Zeit rund 5000 Bergleute beschäftigte.
Ende Legende. Die Stilllegung.
Schacht 4 diente noch über Jahre für die Wassererhaltung, bevor er im Jahr 1999 verfüllt wurde. Die Stilllegung der Zeche Augusta Victoria erfolgte im Dezember 2015.
Hoher Besuch. Die Würdigung des Standorts.
Die Anlage prägte über Jahrzehnte die Region und war für die Wirtschaft von ganz Europa von großer Bedeutung. So verwundert es nicht, dass sich die Zeche immer wieder über hohen Besuch freuen durfte. Zum Beispiel 1985 als der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zu Gast war. 2015 schaute die damalige Ministerpräsidentin von NRW, Hanelore Kraft vorbei. Und 2016 stattete der damalige Bundespräsident Joachim Gauck der Zeche einen Besuch ab. Und Kaiserin Auguste Viktoria? Bis zu Stilllegung der Zeche schmückte eine Bronzeskulptur der Monarchin das Gelände der Schachtanlage 3/7. Danach wurde das Kunstwerk in die Fußgängerzone von Marl-Hüls verlegt.
Weiter geht‘s. Die Umnutzung der erhaltenen Gebäude.
Das Fördergerüst über Schacht 4 steht seit 1995 unter Denkmalschutz und war von 2008 bis 2012 in der Obhut der Industriedenkmalstiftung. In dieser Zeit hat die Institution das Gebäude des Maschinenhauses wieder fit gemacht, eine Heizung installiert und die Räumlichkeiten zu einer Versammlungsstätte umfunktioniert. 2012 ging das Industriedenkmal Zeche Augusta Victoria Schacht 4 an den Heimatverein Marl e.V.
Die Verantwortlichen machen den historischen Standort im Rahmen von Führungen und Veranstaltungen für die Öffentlichkeit erlebbar. Zudem hat der Verein ein bergbauliches Museum im Untergeschoss des Maschinenhauses eröffnet und einen Versammlungsraum im Obergeschoss errichtet. So kann man sich sicher sein: Das Vermächtnis der klangvollen Ikone ist in guten Händen.